Donnerstag, 3. Juni 2010

KICK-ASS



Vom "Sternenwanderer", Matthew Vaughns schrägem Kitsch-Märchen, ist in "Kick-Ass" nicht mehr viel zu sehen, doch gibt es ähnliche Schwächen zu entdecken. Obwohl Vaughn ein Händchen dafür hat bekannte Genres aus ihren Angeln zu heben, sie gegen den Strich zu bürsten und nicht in Verlegenheit gerät große Vorbilder nachzuäffen -hätte man denn nach "Herr der Ringe" einen Film wie "Der Sternenwanderer" erwartet?- so fehlt es immer an der letzten Konsequenz, dem Willen den Weg, den man eingeschlagen hat, auch zu Ende zu gehen und bei "Kick-Ass" sieht man das wieder deutlich.

Dabei beweist der Film in seiner 1. Stunde, warum er das Zeug zum Kultfilm hat, warum er das bessere "Watchmen" ist und warum Comic-Verfilmungen Sinn machen. Denn mal ehrlich, obwohl die Motivation des Helden aus seinen Comics heraus geboren wurde, wirkt das im Jahre 2010, in Zeiten von unzähligen Comic-Verfilmungen, TV-Serien und Videospielen reichlich überholt. Wer heutzutage sich von Superhelden begeistern lassen will, braucht kein einziges Comic aufzuschlagen. Dementsprechend könnte unser Held auch genausogut über Filme zu seiner Leidenschaft gefunden haben, aber getreu der Vorlage und dem nostalgischen Charme eines Comicbuch-Shops erliegend, sehe ich darüber hinweg. Das ursprüngliche "Kick-Ass"-Comic kann ich mir allerdings unbewegt schlecht vorstellen. Bei einer Geschichte, die sich um Medien-Terror und Voyeurismus dreht, eignet sich ein solch introspektives Medium, wie das Comic eher nicht. Ein Comic-Zeichner erschafft seine Welt mit Papier und Bleistift, aus sich heraus, da gibt es nichts voyeuristisches. Eine Kamera dagegen kann nur das filmen, was man ihr vorsetzt. Deshalb war es an der Zeit, dass "Kick-Ass" verfilmt wird, nicht als bewegtes Comic, aber als Comic-artiger Film.

Das hat Vaughn alles mit Bravour geleistet. Die vereinzelten Text-Boxen lassen das Nerd-Herz höher schlagen. Seine Exposition ist gezielt und scharf und mit genügend Verve stürzt sich Kick-Ass in die erste Metzelei.
Einem Mainstream-Film im Teenie-Milieu, garniert mit Litern würzigem Blut, fällt es leicht anzuecken. Schließlich nutzt Vaughn die Gewalt in "Kick-Ass" als Überraschungsmoment, wobei man sich schnell auf den Schlips getreten fühlt und laut "Gewaltverherrlichung!" brüllt. Dämlich! Gewaltverherrlichung funktioniert nur, wenn Gewalt positiv gezeichnet ist. In "Kick-Ass" hat die Gewalt bei aller Ästhetik und Cleverness aber immer dieses schockierende im Kern. Wenn Hit-Girl das erste Mal aufräumt, fragt sich doch jeder: "Geht das nicht ein bisschen zu weit?" Wenn man dann lacht, wirkt das wie ein "Ist ja nur Film...", mindert das aber die reale Gewalt? Nein!

Einen klaren Standpunkt erlaubt sich der Film im Bezug auf Voyeurismus. Wir sehen Gewalt, wir tun nichts dagegen. Gegen die Grausamkeiten auf der Leinwand können wir nichts ausrichten. Kino ist passiv. So ist es sinnlos, darüber zu spekulieren, warum es nötig ist Gewalt abzubilden, aber gleichzeitig zu verurteilen. Gerade die doppelten Böden machen "Kick-Ass" ja so spannend, das Schauen und das Wegschauen. Im Kino ist alles möglich.

Ein bisschen mehr Realismus hätte den Action-Sequenzen vielleicht gut getan. Macht es Sinn über eine Welt ohne Superhelden zu erzählen und gleichzeitig die Figuren übermenschliches vollbringen zu lassen? Gerade da zeigte sich die Vaughn-typische Unentschlossenheit. Will ich eine Dekonstruktion oder hyperreale Comic-Action, wie es sie schon x-mal vorher gab?

In Anbetracht der enormen Tiefe, die "Kick-Ass" als Hollywood-Film bietet, wirken die wenigen Anmerkungen von mir ein bisschen wie Meckern auf hohem Niveau und ich würde darüber auch gerne hinweg sehen, wenn die 2. Stunde nicht gewesen wäre.
Trotz brachialer und feuriger Unterhaltung, schlägt der Film eine Richtung ein, die wie ein Kniefall vor dem Mainstream wirkt. Anstatt die anfängliche Teenie-Komödie immer weiter zu zerlegen, bis der Film sich als die Tragödie entpuppt, die er sein sollte, verfällt "Kick-Ass" in bekannte Plot-Strukturen und arbeitet mit den gleichen Tricks wie alle anderen Comic-Verfilmungen auch, dazu gibt es die typische "Rettung-in-letzter-Sekunde", nachfolgend vom Happy-End, bis zum Türspalt der offen bleibt um ein Sequel durchzulassen. Alle Komplexität verfliegt für einen simplen Kampf von Gut gegen Böse. Interessante Figuren wie Big Daddy oder Hit-Girl verkommen zu Plot-Marionetten und Kick-Ass hat zum Ende eh keine tragende Rolle mehr.

Matthew Vaugh hat versucht mit aller Wut das Genre zu zerstören, doch irgendwie hat er es sich auf der Hälfte der Strecke anders überlegt. Schade, so bleibt "Kick-Ass" ein sehenswertes Spektakel unter einem Haufen von bewegten Comics.

Wertung: 7/10


"Kick-Ass"
USA, 2010
Matthew Vaughn
mit Aaron Johnson, Chloe Moretz, Nicolas Cage


Nur im Kino!


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