Donnerstag, 23. August 2012

THE CABIN IN THE WOODS


Du denkst, du kennst die Geschichte.

Angst kommt immer unvorbereitet, immer genau dann, wenn man es nicht will. So scheinen Horrorfilme erstmal wenig Sinn zu machen. Man löst ein Kinoticket um sich zu fürchten. Man weiß, was einen erwartet und benimmt sich wie ein Klugscheißer. Da man nicht zulassen will, dass der Film einem Angst macht, lacht man über ihn, hält das Verhalten der Protagonisten für unglaubwürdig und alles für vorhersehbar. Natürlich ist das nur die eine Seite der Medaille. Viele Horrorfilme sind leider auch schlecht und bedienen mehr die Abwehrtechniken des Verstandes als den Affekt der Angst. So entstand eben das Bild, dass Horrorfilme mehr Komödien, mehr Trash als Film und Müll statt Kunst seien. Kein anderes Genre wird so gerne zerpflückt, wirkt so banal, hat so viele Gesichter und macht sich so leicht angreifbar.

In den letzten Jahren hat sich der Horrorfilm mit seinen Remakes und Sequels weit ins Abseits katapultiert. Behaupten wir mal das Genre sei tot, dann ist Drew Goddards „The Cabin in the Woods“ der Film über den Tod des Horrorfilms, wenn er nicht gerade selbst damit beschäftigt ist die Klinge tiefer zu bohren und genüsslich umzudrehen.

Fünf Studenten, die blonde Nymphe, die Sportskanone, der Streber, der Kiffer und die scheue Jungfrau, fahren in die Wälder um dort ein Wochenende in einer Hütte zu verbringen und Spaß zu haben. So viel sei verraten. Das Wochenende wird nicht so rosig. Menschen werden sterben. Das wussten sie schon? Ich auch, darum geht es. Kurz davor gibt es eine verwirrende Einführung. Zwei Schlipsträger laufen durch die Flure einer Hightech-Basis und unterhalten sich über ihr Privatleben und die Wichtigkeit ihrer Arbeit. An einer unbedeutenden Stelle gefriert das Bild und der Titel erscheint in großen roten Lettern wie ein Schock. Dann beginnt die eingangs beschriebene Backwood-Story.

Alles was in der Inhaltsangabe steht, klärt sich bereits in den ersten zehn Minuten auf. Wie hängen diese zwei Welten, das Bekannte und das Unbekannte, zusammen? Der Film zieht nicht nur seinen Schrecken, sondern auch seinen Humor aus dieser Gegenüberstellung. Es ist ein Spiel der Erwartungen, das die beiden Autoren Whedon und Goddard hier spielen und sie benehmen sich wie die verhassten Klugscheißer. Sie meinen das Genre, seine Stärken und Schwächen zu kennen und pressen alles durch den Fleischwolf. Das Marketing verspricht sich dadurch „Unvorhersehbarkeit“. Ist das denn überhaupt wichtig? Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass dies nicht der Reiz von „The Cabin in the Woods“ ist und ein striktes Spoilerverbot gilt hier ganz besonders, aber man sollte Goddards Film nicht nur als Versuch anerkennen einen witzigen und unvorhersehbaren Meta-Horrorstreifen zu machen. Hier geht es um viel mehr.

Unsere Hassliebe zum Genre ist ein Thema. Wir hassen es, wenn wir den zwanzigsten Aufguss der gleichen Geschichte sehen, aber wir lieben auch das Vertraute. Wir meinen die Geschichte zu kennen und warten nur darauf, dass man uns ein Messer in den Rücken sticht. „The Cabin in the Woods“ lotet all diese Irrsinnigkeiten aus, führt sie vor, reflektiert und ordnet sie neu. Figuren, die unglaubwürdig handeln, haben nun einen guten Grund dazu. Der Wunsch des Zuschauers, dass die Charaktere sterben, findet ebenso seinen Platz. Das Publikum selbst ist im Film dabei, ähnlich wie in Quentin Dupieuxs „Rubber“, und Whedon/Goddard nutzen es zur maliziösen Manipulation. Da niemand gesagt bekommen möchte, was er zu fühlen hat, reagiert der echte Zuschauer gerne anders als das Publikum im Film. Wenn es über seine „Versuchskaninchen“ lacht, erzeugt das Mitleid und umgekehrt. Die Zuschauer im Film sind Arschlöcher. Sie sind die wahren Antagonisten. Das Spiel mit dem Publikum ist nur eine der brillanten Wege des Films den Tretminen des Genres auszuweichen.

Ganz egal wie genial solche Metaspielereien auch sind oder wie man es geschafft hat das Klischee des Klischees vom Klischee zu überlisten. Am Ende stellt sich die Frage, ob „The Cabin in the Woods“ nicht eher ein Film ist, der Grenzen festlegt als sie zu durchbrechen, der hämisch lacht, wenn er sieht, dass es nicht mehr weitergehen kann. Das ist die Gefahr, postmodernes Fieber. Niemand würde verleugnen, dass Whedon und Goddard ihre Vorlagen nicht mögen. Sie suhlen sich ja nur so in Zitaten, in einer blood orgy of references, doch ihr Film ist auch eine deutliche Dekonstruktion. Sie schaden ihren Vorbildern, allerdings auch nicht mehr als es nicht schon die zig Remakes und Sequels getan haben.

Kein anderer Horrorfilm der letzten Zeit hat seiner Vergangenheit so sehr gehuldigt, wie er sie gleichzeitig verachtet hat. Der Schlussstrich ist deutlich. Nach diesem Film kann man nicht mehr einfach zurückkehren zu Jason und Co. Beinahe ärgerlich, wenn es Whedon und Goddard nicht ohnehin um die Zerstörung alter Werte gehen würde. Nun gut, die beiden Klugscheißer machen es sich zwar ein wenig leicht, wenn sie die Verantwortung in andere Hände geben und fröhlich die Einrichtung im Horrorfilm-Kabinett zerschmettern, aber jeder zerstörerische Akt ist ebenso kreativ. Die alte Welt geht unter und eine neue entsteht. Der politische Subtext ist ganz klar zu lesen. Die Anarchie des Horrorfilms ist da.

Erschienen bei CinemaForever
Wertung: 8,5/10


"The Cabin in the Woods"
USA 2012
Drew Goddard
mit Chris Hemsworth, Kirsten Connolly, Richard Jenkins

Dienstag, 14. August 2012

WHAT TO EXPECT WHEN YOU'RE EXPECTING


Von Lügen und dicken Bäuchen...

Das Wunder der Geburt ist eine ziemlich gewöhnliche Sache hinter der sich Erwartungen, Klischees, ein ganzer Industriezweig und eine Millionen Jahrelange Tradition verbergen. Also so ganz wunderlich ist das nun wirklich nicht. Der britische Komödienspezialist Kirk Jones („Lang Lebe Ned Devine!“) hat nun einen Episodenfilm über dieses „Wunder“ gedreht, eine große romantische Komödie mit Starbesetzung.

„Was passiert, wenn's passiert ist“, das ist die Verfilmung eines erfolgreichen, gleichnamigen Sachbuchs, das praktisch als die Bibel der Schwangerschaft gilt. Die Autorin des Bestsellers, Heidi Murkoff, hat auch am Drehbuch gearbeitet und die Vielfalt der Fortpflanzung in verschiedene Geschichten gegossen, die vom verhängnisvollen One-Night-Stand und der späten Schwangerschaft bis zur Adoption reichen. Alles was man am Rande, aber selten explizit, in den vielen anderen Filmen in den Paare Kinder kriegen schon gesehen hat, kommt hier nun zusammen, die typischen Vaterängste, die Überforderung, die Last der Verantwortung und Existenzprobleme. Das klingt jetzt ziemlich dramatisch, ist es aber nicht. Der Film ist eine Komödie.

Kirk Jones passt sich wie ein Chamäleon dem despektierlichen Genre des „Frauenfilms“ an. Ich mag dieses Wort auch nicht, aber irgendwie passt es zu „Was passiert, wenn's passiert ist“. Die Zielgruppe wird hier deutlich markiert und Jones schafft es trotzdem daraus einen Film zu machen, der auf vielen Ebenen für Lacher sorgt und auch die männliche Seite nicht außen vor lässt. Vorallem merkt man das an der Daddy-Gang, die aus verschiedenen Vätern besteht, die zusammen abhängen und sich um ihre Babies kümmern. Sie reden über ihre Beziehungen und die Vorfälle, wenn das Kind mal vom Wickeltisch gefallen ist oder eine Zigarette gegessen hat. Das Heiligtum Kind, das höchste Gut, das man stets beschützen sollte, erfährt hier eine realistische Relativierung. Es ist schwer ein guter Vater zu sein. Fehler passieren.

Bei den Frauen spielen sich dennoch die größten Dramen ab. Die interessanteste Geschichte ist die mit Elizabeth Banks, einer Art Alter Ego der Buchautorin. Sie gilt als Schwangerschaftsguru, besitzt einen Laden für Baby-Artikel und hat es nun endlich geschafft, nach zwei Jahren, mit ihrem Mann selbst ein Kind zu zeugen. Sie erlebt aber alles andere als eine Bilderbuch-Schwangerschaft und quält sich mit Hormonschwankungen, Schmerzen und Körperausscheidungen. Ihre eigenen Erlebnisse wirken wie das dunkle Spiegelbild all der sterilen Schwangerschaftsfantasien, wie man sie aus Filmen und Werbespots kennt.

Das beste an Kirk Jones Film ist wirklich, dass er mit vielen Klischees aufräumt, dass er versucht dem ganzen Drama, dass zum einen etwas besonderes, aber auch etwas sehr gewöhnliches ist, einen Reality-Check zu verpassen. Er versucht ehrlich zu sein. Umso schwieriger tut sich der Film mit der Jennifer-Lopez-Episode. Sie ist die einzige, die nicht das Gesicht verliert. Weil sie keine Kinder bekommen kann, will sie ein Kind adoptieren und zwar aus Äthopien. Sofort muss man an die berühmten Adoptionsfälle Madonnas oder Jolies denken. Der Film nutzt diese Geschichte aber nicht um auf diese Diskussion zu verweisen, sondern nur um dem Kitsch und dem Exotismus zu frönen. Äthopien ist hier ein wundervolles Land in dem die ewig lächelnde Bevölkerung nur darauf wartet ihre Kinder an weiße Menschen aus dem Westen abzugeben. Plötzlich kommt wieder ganz deutlich die Zielgruppe in den Sinn, die Industrie und das Hollywood-Ethos.

„Was passiert, wenn's passiert ist“ ist eben doch nur eine typische Hollywood-Megaseller-Komödie, wo alles bereits in trockenen Tüchern ist. Es gibt sie zwar, die Überraschungen, die guten Gags und Lacher, aber das wurde auch alles mit einer reaktionären Soße mariniert. Es wäre doch zum Beispiel interessant gewesen ein gleichgeschlechtliches dabei zu sehen, wie es ein Kind adoptiert, aber das bleibt wohl Wunschdenken. Was wäre wohl passiert, wenn das passiert wäre? Kann dazu mal jemand ein Buch schreiben?

Erschienen auf CinemaForever

Wertung: 5/10

"Was passiert, wenn's passiert ist"
USA 2012
Kirk Jones
mit Jennifer Lopez, Elzabeth Banks, Cameron Diaz

Donnerstag, 9. August 2012

PROMETHEUS


Die dunklen Zeichen sind überall. Monsterkindergärten, blutige Abtreibungen, Gottestod, in Ridley Scotts langerwartetem Sci-Fi-Spektakel geht es wild zur Sache.

Der „Alien“-Background wirkt im Nachhinein wie ein schlechter Marketing-Gag. Anfangs als offizielles Prequel angekündigt, wurde spätestens mit dem Titel „Prometheus“ offenbart, dass man doch was anderes vor hat. Gut, nun spielt Ridley Scotts neuer Film eben im selben Universum, aber wirklich viel gemein haben beide Filme nicht. Zwar orientiert sich „Prometheus“ visuell sehr stark am legendären Klassiker und nutzt auch eine ähnliche Dramaturgie, die sich nach dem Ableben der Crew richtet, dennoch macht der Film mit der ersten Szene klar, dass die Reise ganz wo anders hingeht.

Allein das erste Bild ist ein 1:1-Zitat aus Stanley Kubricks „2001“, danach folgt wie im Klassiker von 1968 eine Montage karger Landschaftsaufnahmen, die uns direkt zum Ursprung der Menschheit führen soll. 1979 als Ridley Scotts „Alien“ erschien, gab es kaum eine Nähe zu Kubricks Meisterwerk. Scotts Sci-Fi-Verständnis war ein anderes und ein originäres, was selbst später oft zitiert wurde, doch nun mit „Prometheus“ geschieht ein Quasi-Schulterschluss mit „2001“, was sehr verwirrend ist bzw. symptomatisch für den ganzen Film.  

„Prometheus“ ist einer der ungewöhnlichsten postmodernen Sci-Fi-Filme der letzten Jahre und ein ebenso schräger Blockbuster. Das „Alien“-Franchise dient hier wirklich nur als Nerd-Pleaser und kommerzielle Existenzberechtigung. Anders könnte man es sich nicht erklären, wie diese Megaproduktion überhaupt grünes Licht bekam. Genretechnisch und ästhetisch bleibt „Prometheus“ das gewünschte „Alien“-Prequel. Inhaltlich dagegen bewegt sich Scott mehr in Richtung der populären Sci-Fi-Literatur, rund um Space Operas und Ersatzreligionen. Wissenschaftlicher Hokus-Pokus, Nerd-Märchen und Sci-Fi-Fantasie mehr ist und will „Prometheus“ nicht sein. Das Beharren des Films stetig Verweise auf kommende Teile zu liefern und seine zig Fragen in unausgegorenen Anspielungen zu ertränken, erinnert eher an beliebte Groschen-Sci-Fi-Hefte in Serie. Kubrick machte damals aus Clarkes Roman einen Avantgarde-Film. Scott macht aus den großen Fragen der Menschheit einen populären Unterhaltungsfilm, wobei der Film, entgegen den Blockbuster-Regeln unserer Zeit, unangenehm offen bleibt und den Zuschauer dazu nötigt nachzudenken.

Scotts Film behandelt so vieles auf einmal. Es ist unklar, was er überhaupt erzählen will. Ursprung, Evolution, Robotik, in „Prometheus“ knallt das alles aufeinander in einem Sci-Fi-Horror-Mix, wie ihn die „Alien“-Fans erwarten, inklusive einer toughen Heldin. Noomi Rapace meistert Sigourney Weavers Schatten ungemein gut. Ohnehin interessiert sich der Film nur für zwei Figuren, sie und den Roboter, der von Michael Fassbender grandios interpretiert wird. David ist Fremder und dennoch Eingeweihter. Sein Name bezieht sich wahrscheinlich auf David Lean, den Regisseur von „Lawrence of Arabia“, den Fassbenders Figur am Anfang schaut und dessen Hauptfigur er sogar versucht nachzuahmen. Bis zuletzt bleibt David ein ambivalentes Wesen in seinem berührenden Drang den Menschen zu imitieren und dennoch emotional unnahbar zu bleiben. Er ist ein entrückter Charakter, der einzige wohlgemerkt dem man zutraut alle Geschehnisse völlig zu verstehen. Was David nun eigentlich dem „Engineer“ gesagt hat, bleibt auch wohl immer ein Geheimnis. Ein weiteres Geheimnis auf der Liste der vielen Geheimnisse, die „Prometheus“ vollkommen absichtlich schreibt.

Irgendwie erinnert das ganze an einen „The Tree of Life“ des Genrefilms oder zumindest an einen kommerziellen „2001“-Mutanten. Bei „The Dark Knight Rises“ und „The Hobbit“ konnte man sich denken, was man kriegt. „Prometheus“ zerstört diese Vorstellungen völlig, weshalb man den Film wohl mögen wird oder eben nicht. Trotzdem ist es doch gerade toll, mal wieder einen Blockbuster zu sehen, der nicht wie „Malen nach Zahlen“ aussieht. Ein Film, der sich nicht völlig nackig macht, der seine Furunkel und Geschwülste nur durch den hauchdünnen Stoff andeutet und auf das nächste Date vertröstet. „Prometheus“ ist ein Film der Wucherungen, voller Unkraut und spitzen Steinen, prätentiös, überladen und wundervoll.

Eine weitere Kritik gibt es auf CinemaForever

Wertung: 8/10

"Prometheus - Dunkle Zeichen"
US 2012
Ridley Scott
mit Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron


Mittwoch, 1. August 2012

THE MUSIC NEVER STOPPED



"Sie wissen doch wie das ist, wenn man einen Song hört durch den man in eine andere Zeit versetzt wird."

Musik ist wahrscheinlich die einzige Kunstform mit der jeder etwas anfangen kann oder um es wie David Carradine in „Kill Bill“ zu sagen: „Everyone likes music.“ Wahrscheinlich könnte jeder ein Medium nennen auf das er bereitwillig verzichten könnte. Musik wäre wohl nie darunter. Das Kino wollte schon immer etwas von dieser Liebe abhaben. Schon zu Beginn wurden Stummfilme durch Live-Musik erträglicher gemacht. Später im Tonfilm verschmolz beides endgültig miteinander und das Musical-Genre scheint den absoluten Gipfel darzustellen.

Kino-Debütant Jim Kohlberg weicht diesem Gipfel wissentlich aus. „The Music Never Stopped“ ist ein Liebeserklärung an die Musik wie jedes Musical auch, doch nicht im Sinne der Form, sondern des Inhalts. Erzählt wird die Geschichte von Henry (J.K. Simmons), dessen Sohn Gabriel (Lou Taylor Pucci) vor Jahren verschwand und nun aufgrund einer Operation zurückgekehrt ist. Gabriel hat einen Gehirntumor, der ihm erfolgreich entfernt wird, doch sein Kurzzeitgedächtnis erleidet irreparable Schäden. Er kann sich nur noch an Ereignisse, speziell der Musik, aus der Vergangenheit erinnern, an die Flower-Power-Zeit als er und sein Vater sich immer häufiger stritten, bis es zum Bruch kam.

Kohlbergs Film basiert auf einem wahren Fall, den der Autor des zugrundeliegenden Buches untersucht hat. Gabriel im Film ist es fast unmöglich nach der Operation mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Sein Vater engagiert eine Musiktherapeutin, die entdeckt, dass sich der Sohn öffnet sobald er Musik hört, die ihn damals berührte. Der Film erzählt anhand bestimmter Songs die Familiengeschichte nach und springt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Letztendlich geht es um einen simplen Generationenkonflikt, das Aufbegehren gegen den Vater und die spätere Zusammenführung. Scheinbar unüberwindbare Konflikte, die durch die Kraft der Musik, oder eher unserer Projektion von Musik, aufgelöst werden. Die Schauspieler wie auch das Drehbuch sind ständig damit beschäftigt uns zu erklären warum die und die Musik so hervorragend ist. Teilweise fühlt sich „The Music Never Stopped“ wie Musikunterricht an.

Hält man sich vor Augen, dass diese Geschichte so ähnlich passiert ist, bleibt sie etwas besonderes, doch ehrlich gesagt, ist es für einen Spielfilm ziemlich unerheblich ob er auf einer wahren Begebenheit beruht oder nicht. Wenn der Film läuft, denkt darüber niemand mehr nach. Vollkommen nackt betrachtet, geht es leider wirklich nur um die altbekannte Geschichte zwischen Vater und Sohn, was sich umso stärker zeigt, sobald die Mutter und die Musiktherapeutin in der zweiten Filmhälfte kaum noch auftauchen. Damit ist auch das Interesse am realen Fall reine Pose. Kohlberg übt sich dagegen in Gefühlskino, orchestriert die Tränen seiner Zuschauer wie Musik. Wenigstens bekommen die Schauspieler etwas zu tun. Dabei ist es wirklich schön J.K. Simmons mal in einer großen Rolle zu erleben und ihn nicht nur auf der Tribüne der Supporting Actors zu erspähen.

Ich frage mich dennoch immer öfter, was das Problem mit solchen Filmen wie „The Music Never Stopped“ ist. Sie sind handwerklich makellos und machen wahrscheinlich auch jeden Abschlussjahrgang einer Filmhochschule stolz, trotzdem wirken diese Filme immer etwas billig auf mich. Was nützen tolle Schauspieler und großes Handwerk, wenn sie nur für ein paar Liter Tränen eingesetzt werden? Umso ärgerlicher ist es doch, dass die meisten dieser Tränen zum Schluss wieder getrocknet sind, da der Film ja immer mit einem leicht tragischen Happy-End schließen muss. Das ist die Formel. Doch was will uns Kohlberg zum Schluss überhaupt sagen? Dass Musik großartig ist? Das wissen doch schon alle. Jeder mag Musik.

Erschienen bei CinemaForever

Wertung: 4/10

"The Music Never Stopped"
US 2011
Jim Kohlberg
mit J.K. Simmons, Julia Ormond, Lou Taylor Pucci 

GESEHEN IM JULI 2012



Illuminata - 6/10  
(US 1998, John Turturro)

Zeit der Unschuld - 7,5/10
(US 1993, Martin Scorsese)

Das goldene Zeitalter - 8/10
(FR 1930, Luis Bunuel)

Die zwölf Geschworenen - 9/10
(US 1957, Sidney Lumet)

French Connection - 8/10
(US 1971, William Friedkin)

Der Dialog - 9,5/10  
(US 1974, Francis Ford Coppola)

Was passiert, wenn's passiert ist - 5/10  
(US 2012, Kirk Jones)

September - 6,5/10  
(US 1987, Woody Allen)

Carrie - 6,5/10 
(US 1976, Brian De Palma)

Woody Allen: A Documentary - 6/10  
(US 2011, Robert Weide)

The New World - 7/10  
(US 2005, Terrence Malick)

Super 8 - 6/10  
(US 2011, J. J. Abrams)

The Dark Knight Rises - 7/10  
(US 2012, Christopher Nolan)

The Music Never Stopped - 5/10  
(US 2011, Jim Kohlberg)

Polizeiruf 110: Cassandras Warnung - 8/10  
(DE 2011, Dominik Graf)

Clerks - 7/10  
(US 1994, Kevin Smith)

Chicago - 4/10  
(CA/US 2002, Rob Marshall)

Sleep Tight - 6/10  
(ES 2011, Jaume Balagueró)

Der Exorzist - 6/10  
(US 1973, William Friedkin)

Chloe - 4/10
(CA/FR/US 2009, Atom Egoyan)

Endlich sind wir reich - 4,5/10  
(GB 1931, Alfred Hitchcock)

Contagion - 7/10  
(US 2011, Steven Soderbergh)