Sonntag, 15. Mai 2011

SCREAM 4

Wie Meta kann man sein? Diese Frage stellt sich Wes Cravens neuester Auswurf seines Scream-Franchises unaufhörlich und beweist, dass vierte Teile doch Sinn machen können.

Seit der letzten grausamen Mordserie in Woodsboro ist viel Zeit ins Land gegangen. Sidney Prescott hat sich gut erholt und ist auf großer Buchtour, da sie sich seit Jahren nur noch dem Schreiben widmet. Doch als Sidney wiederkehrt, erfährt sie, dass erneut zwei High-School-Schülerinnen brutal ermordet wurden. Die Geistermaske hat wieder zugeschlagen und ein neuer Albtraum beginnt.


„Terminator: Salvation“, „Alien – Resurrection“, „Die Hard 4.0“, „Indiana Jones and the Kindom of the Crystal Skull“, die Liste von Hollywoods Trilogie-Durchbrüchen ist lang und bekanntlich unbeliebt. Ich wage mal die Behauptung aufzustellen, dass es keinen vierten Teil gibt, der in irgendeiner Form den vorherigen Filmen das Wasser reichen könnte. Trotzdem sind in den letzten Jahren die verspäteten Fortsetzungen, so nenne ich sie mal, wie Heuschrecken über uns gekommen. Teilweise sogar mit beachtlichem Erfolg, was die Chancen auf einen fünften Teil umso wahrscheinlicher macht, was allerdings sehr, sehr selten vorkommt, jedenfalls bei Blockbustern. „Indy 5“ soll ja irgendwann kommen, wenn es nach George Lucas gehen würde. „Die Hard“ scheint endlich vorbei zu sein. Einen fünften Teil von „Alien“ wünschen sich zwar viele Fans, aber davor schreckt sogar Hollywood zurück und der nächste „Terminator“-Film wird, ganz seltsam, ein neuer dritter Teil werden. Über die Vier kommen die wenigsten hinaus und selbst die wird immer mehr gemieden. Der neue Trend sind Prequels und Remakes, neuerdings Reboots. Ob „X-Men“ oder „Spider-Man“, sie alle trauen sich nicht die Trilogie zu durchbrechen, sondern schreiben sie entweder komplett neu oder fügen ein Preludium hinzu.

Dieser Trend ist natürlich auch nicht am Horrorfilm spurlos vorbeigegangen. Vor „Scream“ war das Zeitalter der großen Reihen, „Halloween“, „Nightmare“ und „Hellraiser“ verdienten ihre Brötchen in erster Linie durch ihre schon fast lächerliche Anzahl an Fortsetzungen. Nach „Scream 3“ kam der Remake-Wahn. Japan-Horror und Americas New Horror der 70er waren die Zielscheiben. Schade für das Genre war der Prestige-Status dieser Produktionen. Die originellen Filme gab es ja weiterhin, aber die Marketing-Macht lag bei den Remakes. Nur „Hostel“ und „Saw“ schafften den Sprung ins breitere Bewusstsein. Der erste war ein verkanntes Genre-Highlight und durfte, dank eines gewährten zweiten Teils, nochmal ordentlich aufdrehen. Der letztere war eher ein überraschendes Thriller-Debüt und wurde durch seine sechs Fortsetzungen immer uninteressanter. Dennoch, das originelle Horrorkino lebt weiter, seit ein paar Jahren vornehmlich in Frankreich und das sogar mit internationalem Erfolg. Die heutige Genre-Landschaft ist enorm vielseitig. Allein ein Besuch beim Fantasy-Filmfest beweist das. Von Kunst bis Trash kann man dort alles finden, ob nun Remake, Sequel oder erster Teil.

Und jetzt ist „Scream 4“ da, gegen jede Regel und gegen jedes Klischee. Die vierten Teile sind out, biedere Slasher sowieso und Meta-Sein ist auch ein alter Hut. Trotzdem leisten sich Williamson und Craven nach elf Jahren einen Trilogie-Durchbruch, der gleichzeitig einen Neu-Beginn darstellen soll. Denn angeblich ist „Scream 4“ der Auftakt einer neuen Trilogie mit einer neuen Generation. In Anbetracht des mäßigen Erfolgs des Films darf man aber hoffen, dass das ein leeres Versprechen bleibt, damit sich „Scream“ nicht auch noch so zu Tode läuft wie andere Genre-Konsorten.

Obwohl man „Scream“, wie keine andere Reihe, unendlich fach fortsetzen könnte, so wie ein Kritiker, kommentieren Cravens Filme das Kino und speziell das Genre im zeitlichen Wandel. Das Horror-Kino von 1996 ist ein anderes als das von 2011 und so beginnt „Scream 4“ gleich mit einem Kommentar zum Thema Torture-Porn und steigert sich kontinuierlich. Allein in den ersten zehn Minuten köpft Williamsons Drehbuch alle Ausgeburten des aktuellen Genre-Kinos. Auf „Stab 6“ folgt „Stab 7“, die Film-im-Film-im-Film-Thematik hat sich zu Tode gelaufen. Der Meta-Scheiß war schon 1996 ausgelutscht. Mehr Blut, mehr Gewalt, mehr Twists kompensieren den Inhalt, den man schon zigfach gesehen hat, wo wir wieder beim Remake wären, dem sich „Scream 4“ hauptsächlich widmet. Cravens Film will mehr Reboot der Reihe sein als Sequel, aber, und das ist klar, will er ebenso die Remake-Techniken analysieren und die Unterschiede zum ersten Film verdeutlichen, was letztendlich nur in der Ausformung eines vierten Teils funktionierte.

So gibt es natürlich die bekannten „Final Three“, bestehend aus Sidney, Gale und Dewey, aber auch eine Menge neuer Charaktere, die alle irgendwie so wirken, wie das 2011er Update des ersten Films. Da gibt es eine neue Sidney und einen neuen Film-Buff, der sich mit den Regeln auskennt, den Regeln des Remakes in diesem Fall. Williamson und Craven schaffen es wieder vorzüglich die wilde Mixtur aus Whodunit, Slasher, Komödie und Metafilm zu brauen. Die Mordszenen haben sich auf ein vielfaches erhöht und fallen spürbar härter aus, obwohl der Film definitv nichts für Gorehounds ist, da sich Craven eine gewisse 90er Distanz gönnt.

Bei der Frage: „Wie Meta kann man sein?“, gelingt „Scream 4“ sogar eine Steigerung gegenüber seinem Vorgänger, der ja bekanntlich auf einem Film-Set spielte. Bei Teil 4 rückt die Meta-Ebene ironischerweise noch mehr in den Vordergrund, so weit sogar, dass sie auffällig die Handlung und die Motivationen der Figuren beeinflusst. Die Online-Generation sorgt nun mit ihren Webcams und Live-Chats für ihren eigenen doppelten Boden. Die Filmemacher stehen dem eher zwiegespalten gegenüber, was sich besonders im Over-the-Top-Finale offenbart. Wenn die Meta-Ebene im Vordergrund steht, dann wird auch das Publikum andauernd dazu gezwungen den Film als Film zu reflektieren, wodurch die guten Dialoge zünden, aber das Slashen harmloser gerät, was Craven mit reichlich Suspense und Blut zu kompensieren versucht.

Vierten Teilen wird ja gerne ein „zu viel“ unterstellt, z.B. versteckte sich Indiana Jones in einem Kühlschrank um einer Atombombenexplosion zu entgehen, was ihm auch gelang. Für viele war das eine bodenlose Peinlichkeit. Ich fand es großartig. Dieses Zu-Viel-Element ist nun als „Nuking the Fridge“ bekannt. In den Bereich einer Kühlschrank-Explosion kommt spätestens das Finalevon "Scream 4", wenn Williamsons Drehbuch alles vorherige ad absudum führt und die Regeln des Remakes konsequent zu Ende denkt. Auch wenn der Zuschauer es wieder einmal nicht schaffen wird den Mörder zu enttarnen, geschweige denn seine Motivation zu erraten, das Finale des vierten Teils ist das bisher zynischste, blutigste und witzigste zugleich.

Am Besten waren die Scream-Filme immer, wenn sie Bezug zur Wirklichkeit nahmen, wenn die Genre-Grenzen verschwammen und der Film offen die Frage stellte, inwieweit das Gesehene den Zuschauer beeinflusst („Macht es ihn gewalttätiger?“). Dieses Theorem durchzieht alle Teile und besonders im vierten Film wagen es Craven und Williamson eine scharfe und ehrliche Kritik zu formulieren, die zwar vielen alt-väterlich vorkommen wird, aber mit deren Wahrheit wir stets konfrontiert werden, wenn wir den Computer oder den Fernseher anschalten. Ghostface hat die Leinwand verlassen.

Wertung: 7,5/10


"Scream 4"
US 2011
Wes Craven
mit Neve Campbell, Courtney Cox, Emma Roberts

Nur im Kino!

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