Mittwoch, 15. Mai 2013

TRANCE


"The choice is yours. Do you want to remember or do you want to forget?"

Der Drehbuchautor, Filmregisseur und Filmkritiker Paul Schrader teilt die Stilrichtung des Film Noirs in drei Phasen ein. Die „wartime period“ (1941-46), in der überwiegend einsame Privatdetektive ihr Dasein fristen. Danach folgte die „post-war realistic period“ (1945-49), die den Charakter des Großstadtmolochs in den Mittelpunkt rückte und sich den alltäglichen Verbrechen auf den Straßen widmete. Die letzte und zugleich spannendste Phase war dennoch die „period of psychotic action and suicidal impulse“ (1949-53), in der sich allmählich die Figuren auflösen und meistens sogar Mörder und Psychopathen die Hauptrollen sind. Seit dem Ende des klassischen Film Noirs haben sich seine Motive und Reflexionen hartnäckig im Kino gehalten. Sie haben Filme wie „Blade Runner“, „Chinatown“ und „L.A. Confidential“ hervorgebracht und der Begriff des Neo-Noirs gehört heute zum guten Filmvokabular. Ist der Film-Noir also tot? Definitiv, denn was wir heute sehen ist allenfalls ein postmoderner Widerhall und dennoch kann ein Neo-Noir mehr sein als bloße Pose oder Hommage, nämlich wenn er sich seiner kulturellen Geschichte bewusst wird. Danny Boyle, dessen letzte Filme den süßlichen Geruch der Award-Seasons leider nicht abstreifen konnten, hat nun solch einen Film gemacht. „Trance“ ist ein „Meta-Noir of psychotic action and suicidal impulse“. [...]

Wertung: 8/10

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UPSTREAM COLOR


"I have to apologize. I was born with a disfigurement where my head is made of the same material as the sun."

An diesem Wochenende war ich mit unserem Co-Autor Florian im Kino um mir den angeblich schlechtesten Film aller Zeiten anzusehen. „The Room“ von Tommy Wiseau aus dem Jahre 2003 genießt spätestens seit dem halbstündigen Video-Verriss des NostalgiaCritic Kultstatus, inklusive mitternächtlicher Screenings und Rituale wie bei „The Rocky Horror Picture Show“. Mit Fug und Recht kann ich mich nun „glücklich“ schätzen „The Room“ gesehen zu haben, der wahrlich so schlecht ist, wie alle sagen, aber dadurch auch besonders viel Spaß gemacht hat. Nur warum beginne ich meine Kritik zu „Upstream Color“ mit einem Absatz über Tommy Wiseaus Filmdebakel? Zwei Gründe: Erstens, muss ich diesen herrlichen Schund irgendwie schriftlich verarbeiten, wobei mir eine ganze Kritik dafür zu schade ist, und zweitens, gibt es äußerst starke produktionstechnische Parallelen zwischen „The Room“ und Shane Carruths neuem und erst zweitem Film sowie seinem brillanten Debüt „Primer“. [...]

Wertung: 8,5/10

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TO THE WONDER


"You gathered me up from earth. You've brought me back to life."

Urplötzlich befindet sich Olga Kurylenkos Figur Marina wieder an der französischen Küste am Mont-Saint-Michel. Sie ist allein, dreht sich um und ein warmes Licht strahlt in ihr Gesicht. Es ist die letzte Szene in Terrence Malicks neuem Film „To The Wonder“, wenn man hier überhaupt noch von „Szenen“ sprechen kann. Eine Szene definiert sich bekanntlich durch die Einheit von Raum, Zeit und Personen. In Malicks Film gibt es solch eine Einheit nicht, jedenfalls nicht im Kontext mehrerer Kameraeinstellungen und schon gar nicht im bewussten Verlauf einer Geschichte. Chronologie existiert höchstens im eigenen Kinosessel. Auf der Leinwand sind dagegen Zeitreisen angesagt und so verliert Marinas Schlussbild jegliche narrative Bedeutung, da es weder Anfang noch Ende gibt. [...]

Wertung: 7/10

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STOKER


"Just as a flower does not choose its color, we are not responsible for what we have come to be. Only once you realize this do you become free."

Eines ist „Stoker“ auf jeden Fall, nämlich einer der schmerzhaftesten Kassen-Flops des Jahres. Bei einem für Hollywood-Verhältnisse mickrigen Budget von 12 Mio. Dollar hat der Film gerade einmal knapp 5 Mio. eingespielt. Die Quelle: Wikipedia, und laut IMDB sogar noch weniger. Können Sie sich noch an die Zeiten erinnern als Superstar Nicole Kidman noch nicht mal für 12 Mio. vor die Kamera getreten ist? Dieses Zeitalter scheint vorbei zu sein bzw. mag ihre Wertschätzung gegenüber Park Chan-wook groß genug sein, um „Stoker“ mit ihrem Auftritt auch mit weitaus weniger Gage zu adeln. Eines ist allerdings ganz sicher: Eine solch geringe Aufmerksamkeit hat dieser wundervolle Film nun wirklich nicht verdient, deshalb kommt jetzt schon, untypischerweise am Beginn der eigentlichen Kritik, der Aufruf am 9. Mai in die Lichtspielhäuser zu strömen. [...]

Wertung: 7,5/10

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Kritiken-Übersicht - Januar bis April 2013

"Zero Dark Thirty" (USA 2012) Wertung: 6/10

Wo waren sie am Tag als Osama Bin Laden starb? Eine Frage die ähnlich bedeutend erscheint, wie das oftmalige Rekapitulieren des 11. Septembers 2001... Weiterlesen
"Bullet To The Head" (USA 2012) Wertung: 5/10

Die Rückkehr der Action-Stars aus einer längst vergessenen Zeit scheint noch nicht wirklich ihren Höhepunkt erreicht zu haben und dennoch... Weiterlesen
 "Celeste & Jesse" (USA 2012) Wertung: 5/10

Es fällt schwer bei der Menge an großartigen Comedy-Serien aus den USA noch den Überblick zu behalten und damit meine ich nicht glattgebügeltes Massenopium wie... Weiterlesen

 
"Spring Breakers" (USA 2013) Wertung: 7/10

Schlagwörter wie „Skandal“ oder „Kult“ haben eine ganz besondere Anziehungskraft und ein Film, der mit diesen Labels geschmückt wird... Weiterlesen
"Jagten" (DK 2012) Wertung: 7/10

Kaum zu glauben, dass Dogma-Shooting-Star anno 1998 Thomas Vinterberg nach vierzehn Jahren das große Comeback gelingt. Sein Cannes-Gewinner... Weiterlesen
"Side Effects" (USA 2013) Wertung: 6/10

Es ist eher untypisch, dass ein Regisseur oder eine Regisseurin sich entschließt vorzeitig in „Rente“ zu gehen... Weiterlesen
 "I, Anna" (FR, DE, GB 2012) Wertung: 4/10

Bald ist ja wieder Muttertag und wie man auch zu diesem Anlass stehen mag, der ohnehin schon in seinem historischen Kontext kritisch beäugt werden sollte... Weiterlesen