Samstag, 21. Januar 2012

8 MILE


Ohne viel Kitsch entführt uns Curtis Hanson in die Welt des Hip-Hops und ist dabei sehr nah dran am Leben, wenn das Drehbuch nichts dagegen hat.

Detroit 1995: In den ärmeren Vierteln ist der HipHop für viele zum einzigen Lebensinhalt geworden. Auch für den jungen Rabbit ist die Kunstform des Rap das Wichtigste überhaupt. Jimmy steht tagsüber an der Stanzmaschine in einer Automobilfabrik. Hier lernt er auch die hübsche Alex kennen, mit der er ein Verhältnis beginnt. Natürlich verschweigt er ihr, dass er zusammen mit seiner alkoholkranken Mutter und seiner kleinen Schwester in einem Trailer-Park lebt.

Dass "8 Mile" damals ein so großer Erfolg wurde, war wohl keine wirkliche Überraschung. Schließlich übernahm einer der bekanntesten Rapper der westlichen Welt die Hauptrolle. Eminem, der damals auf dem Zenit seines Schaffens war, spielt Rabbit als zutieft introvertierten und zukunftsfürchtenden Jugendlichen, der nur beim Battle eine Form findet sich auszudrücken.

Curtis Hanson, dessen Karriere nach "L.A. Confidential" eigentlich nur nach unten gehen konnte, gelang mit "8 Mile" wenigstens ein Aufmerksamkeitssieg. Es ist wohl vorallem seiner Führung zu verdanken, dass der Film nicht zur bloßen Ego-Show eines erfolgsverwöhnten Platten-Stars wurde. Er lässt Eminem überwiegend schweigen, seine Aura ist ausreichend. Erst die restlichen Figuren machen den Film, von Kim Basinger bis Michael Shannon.

Das grobschlächtige Drehbuch bietet zwar authentische Dialoge, begnügt sich aber mit einer mehr als ausgetretenen Dramaturgie und vorhersehbaren Konflikten. Am deutlichsten wird das bei der Rolle Brittany Murphys. Die leider schon verstorbene Schauspielerin passt sich zwar hervorragend in den Film ein -sie wirkt wirklich, wie von der Straße-, als scheinbar obligatorischer "Love Interest" ist sie aber unnötig, da das Drehbuch nichts mit ihr anzufangen weiß. Sie taucht unvermittelt auf und wenn sie weg ist, kümmert das auch niemanden. Der eigentlichen Coming-of-Age-Geschichte vermag ihre Rolle nichts hinzuzufügen und ihre einzige Existenzberechtigung scheint wohl die Sex-Szene im Automobilwerk zu sein.

Viel deutlicher werden da "8 Mile"s Stärken in der Mutter-Sohn-Beziehung. Basinger, die dank Hanson, wieder mal großes spielen darf, überzeugt als liebessüchtige Mutter. Ebenso beeindruckend ist der, damals noch unbekannte, Michael Shannon als ihr Freund, der es versteht als Verlierer trotzdem wie ein Sieger dazustehen. Auch im Bezug auf die Star-Persona Eminems nimmt der Film sich absichtlich viel Zeit für die Mutter-Sohn-Geschichte. Eminems eigene familäre Probleme sind schließlich weltbekannt.

Hansons größter Verdienst ist allerdings seine Fähigkeit Milieus zu zeichnen. "8 Mile", ob nun Star-Film, Hip-Hop-Drama oder Fan-Vehikel, ist in erster Linie eine fantastische Hommage an die wohl hässlichste Stadt Amerikas, "Detroit". Hanson zeigt uns die versteckten Winkel. Seine flexible Handkamera schlüpft durch die Original-Schauplätze und zeichnet ein lebendiges Bild dieser kantigen Stadt, von der abgerockten Club-Toilette bis hin zur Megalomanie der Industrieviertel.

Die alte Frage, die sich "8 Mile" stellt, ist die Suche nach dem "American Dream", einem Traum, der so irreal wie ein Märchen ist und uns nur von der Tatsache ablenkt, dass Fleiß und Erfolg in keinem definitiven Kausalverhältnis stehen. Jeder kann fleißig sein, aber nicht jeder erfolgreich. Die nötige (und große) Portion Glück, die es braucht um Millionär zu werden, wird dabei oft unterschlagen. Hansons Film macht das zum Glück nicht. Er verkitscht den "American Dream" nicht. Rabbit sucht nicht nach Erfolg, er sucht nach sich selbst. Das Drehbuch vermeidet Eminems großen Aufstieg. Sobald Rabbit sein Selbstvertrauen gefunden hat, endet der Film mit einer angenehmen Offenheit.

Auch wenn die Fülle an Figuren nicht den Mangel an größerer Tiefe und das eine oder andere Klischee verhindern konnte, so ist Curtis Hanson dennoch ein authentisches Musik-Drama gelungen, dass besonders durch seine Milieuzeichnung fesselt. Das flache Drehbuch bleibt trotzdem auffällig. Hip-Hop-Fans werden schon alleine Spaß daran haben die Cameos zahlreicher Szene-Größen ausfindig zu machen. Bei Hip-Hop-scheuen Menschen wird der Film eher Augenrollen hervorrufen und als Filmfan steht man mal wieder zwischen den Stühlen.

Wertung: 5,5/10


"8 Mile"
US 2002
Curtis Hanson
mit Eminem, Kim Basinger, Brittany Murphy

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